Thema: Nachbearbeitung: Definitionen von Qualitätsverlust
Wenn über "Klangverluste" gesprochen wird, sollten der Begriff des Verlustes und der Begriff des Fehlers genauer definiert werden.
Definition 1:
=> Möglichst hundertprozentig am Original bleiben. (Am besten bitgenau anhand einer Prüfsumme.)
Nimmt man diese Definition als Grundlage, dann bedeutet dies, daß jede nachträgliche Bearbeitung einen Verlust von ursprünglich vom Künstler (oder eher dem Tontechniker) gewollten Übergängen oder Effekten nach sich zieht. Man kann z.B. davon ausgehen, daß Knackser früher nicht beabsichtigt waren, während sie heutzutage teilweise bei DJ-Produktionen als Stilmittel eingesetzt werden, um einen "analogähnlichen" Sound zu kreieren, von dem man meint, er würde dem einer LP entsprechen. Daraus resultiert das Phänomen, daß die Toleranz Knacksern gegenüber leider zugenommen hat. Ein gute Produktion vermeidet eigentlich solche Fehler. Übrigens waren derartige Dinge bei einer LP kaum heraushörbar, weil der Anteil der ohnehin unvermeidlichen Nebengeräusche solche Klickser verdeckt hat. Leider werden sie bei schlampigen Produktionen mit auf die CD übertragen, aber bei deren Wiedergabe nicht mehr überdeckt.
Dies hat dann zur Folge, daß man sich jeden Unsinn, den frühere Tontechniker verzapft haben, auch heute noch "naturgetreu" anhören darf, ohne die gutmütigen Verdeckungseffekte der analogen Wiedergabe nutzen zu können.
Zum Teil resultiert daraus der Glaubenskrieg zwischen "Analogis" und "Digitalos", der aber verkennt, daß bei einer fehlerfreien Digitalproduktion diese Probleme nicht anfallen, weil das Aufgenommene nicht mehr aus einer eigentlich für die analoge Wiedergabe vorgesehenen und entsprechend fehlerbehafteten Quelle (Master) stammt.
Definition 2:
=> Kleine Eingriffe sind erlaubt, um bereits auf CD enthaltene Störungen und "Fehler" zu entfernen.
Hierfür gibt es minimalinvasive Möglichkeiten, wie etwa einen Crossfader oder einen Softclipping-Filter, um den Klang "angenehmer" erscheinen zu lassen. Loudness, Limiter und Dynamikkompression innerhalb der Soundausgabe gehören ebenfalls dazu.
In diesem Fall bleibt das Original unangetastet, während lediglich die Ausgabe beeinflusst wird. Von Verlusten kann gesprochen werden, wenn diese Effekte und Filterschaltungen endgültig auf die Audiodateien angewendet werden.
Definition 3:
=> Man einigt sich auf die Art der Eingriffe bzw. auf eine genauere Definition der zu behebenden "Fehler", deren nachfolgende Durchführung bzw. Entsorgung ganz bewußt nicht als Verlust aufgefaßt wird. Die Einstufung der Qualität des entsprechenden Ergebnisses im Vergleich zu der des ausgelesenen Formates erfolgt dann folglich als "besser", was aber nicht dem ursprünglichen Anliegen der Produktion entsprechen dürfte, da dieses Vorgehen logischerweise nahezu jede Manipulation ermöglicht.
Geht man von dieser Definition aus, wird also jede Art der Bearbeitung erlaubt. Als Beispiele mögen das Aufmischen von harmonischem Klirr (K2, K4 ...) mittels eines VST-Röhrenklang-Plugins oder der weitreichende Einsatz von Equalizern dienen. Jede Veränderung, die nun wirklich nur noch Geschmacksfragen folgen muß, ließe sich anwenden, wenn der Bearbeitende das Original als fehlerhaft deklariert. Die "Fehlerhaftigkeit" ergibt sich demgemäß aus einer persönlich empfundenen Irritation, wie z.B. der, daß der unbearbeitete Track ein selbstgewähltes Kriterium nicht erfüllt, weshalb er sich vermeintlicherweise "schlechter" anhört.
Diese "Geschmacksfragen" bilden recht gut ein wichtiges (wie auch historisches) Paradigma der Wiedergabetechnik ab, das seit jeher die "High-Ender" von den "Technikern" trennt.
Erstere meinen, die Idealform der Wiedergabe sei in bestimmten Bereichen fehlerhaft, weshalb jede Veränderung zu etwas "Angenehmen" hin anhand einer geschmacklichen Manipulation als "richtiger" deklariert wird, egal, wie aufwändig oder nachteilhaft sie z.B. für andere Teilgebiete der Wiedergabe sein könnte. (Was dann auch dem akustischen Voodoo-Glauben bei jeder Art der monetären Audio-Wertschöpfung Tor und Tür öffnet.)
Die Techniker hingegen versuchen, alles unverändert wiederzugeben.
Definition 4:
=> Alle bisherigen Methoden versagen ohnehin bei der naturgetreuen Reproduktion eines Schallereignisses. Ergo ist sowieso alles verlustbehaftet, weshalb auch alles erlaubt ist, um Fehler irgendeiner Definition zu kaschieren.
Meine Definition (Mischform):
Meine Definition von Verlusten konzentriert sich auf eine technische mittels Manipulation. Ich akzeptiere nur nahezu bitgenaues Archivieren oder Verluste, die sich in einem kontrollier-, steuer- und vorhersagbarem Rahmen bewegen, wie z.B. beim Einsatz eines Musepack-Encoders.
"Voodoo" bzw. "Aufpeppen" und andere Veränderungen, die nur Geschmacksfragen folgen, wie etwa der nicht mehr umkehrbare Einsatz von Tubeamp-Filtern (oder schlimmeren "Anwendungen") lehne ich ab. Die entsprechenden Ergebnisse können mit anderen Mitteln ebenfalls erreicht werden. Ich meine, es sollte einfach nur das archiviert werden, was auf der CD enthalten ist.
Davon abgesehen kann natürlich jeder mit seiner Musik tun und lassen, was er will. Das zieht dann aber nach sich, daß die Möglichkeit des Vergleichs bei den jeweiligen Ergebnissen auf der Strecke bleibt. Problematisch ist da vor allem, daß einmal veränderte Audiodateien nicht mehr in den Originalzustand zurückversetzt werden können, obwohl die zwischenzeitliche Veränderung des Geschmacks oder der Wiedergabegüte (Stichwort: Hard- bzw. Software) diesen Wunsch wach werden lassen. (Insofern kann sich die ehemals geschmacklich "positive" Manipulation Jahre später einfach nur noch als größter Unsinn herausstellen, weshalb ich, eingedenk eigener Erfahrungen, jedem in diese Richtung Interessierten empfehlen möchte, die Inhalte der Medien möglichst "naturbelassen" umzukopieren, damit die angelegte Sammlung auch in Zukunft den evtl. wachsenden "Abhöransprüchen" entsprechen kann.)
=> Um zur Ausgangsfrage zurückzukehren: Profis reden manchmal schon von Restauration, wenn nur minimal etwas geändert wird. Ich sehe das ähnlich und würde es in gewisser Weise, abhängig von meiner Tagesform, dann jeweils auch als Verlust bezeichnen.
Restaurieren
Die Vorgehensweise bei der Restaurierung von Tondokumenten ist bei allen Formaten ähnlich. Die ersten Schritte bestehen aus dem Anhören der entsprechenden Datei und dem Festlegen der notwendigsten Eingriffe. Danach wird das Dokument in ein digitales "high definition"-Format kopiert und einer spektroskopischen Analyse unterzogen. Für die Bearbeitung des Signals stehen verschiedene (halb-)automatische Module zur Verfügung, um die üblichen Nebengeräusche (Rauschen, Knacksen, etc.p.p.) zu vermindern oder aufzuheben. Weitere Korrekturen erfolgen manuell, wie z.B. das Ausschneiden von Transienten, die Aufhebung nicht linearer Tonkomprimierung oder -expansion und die Anwendung verschiedener Filter und Entzerrer. Der Umfang dieser Eingriffe unterliegt dem Gutdünken (bzw. "Wissen") des (mehr oder minder qualifizierten) Anwenders und beansprucht einige Zeit. (Die Korrektur von 1 Minute Aufnahmeton beispielsweise kann bis zu einer Stunde für deren Bearbeitung benötigen).
Nimmt man die Schweizerische Landesphonothek als Beispiel, so fällt auf, daß sie bei solchen Arbeiten ihrem (selbstverordneten) Mandat treu bleibt, auch wenn es darum geht, Dokumente für kommerzielle Zwecke aufzuarbeiten. Ihr Grundprinzip ist es, den bestmöglichen Ton vom Originaltonträger mittels der geeignetsten Abspielgeräte zu erhalten. Die nachfolgende (nur wenn nötige) Bearbeitung besteht darin, den Ton so nah und getreu wie möglich an den Moment seiner Aufnahme zu bringen. Alle weiteren Eingriffe sind zwar machbar, gehören aber nicht in den Aufgabenbereich dieser Einrichtung. Quelle