Jörg Schütt schrieb:Eine High-End-Anlage versucht die Musik so zu präsentieren, dass sie möglichst natürlich und originalgetreu wiedergegeben wird, ohne Berücksichtigung der Produktionskosten.
Eigentlich versucht ja jede vom Käufer (sicherlich nach subjektiven Kriterien) halbwegs sinnvoll zusammengestellte Anlage, Musik "originalgetreu und natürlich" wiederzugeben. In dieser Frage unterscheidet sich High(Open)End nicht von einer Anlage anderer Preisklassen. Jedenfalls könnte man diesen Eindruck gewinnen, denn das halbe Internet besteht aus Textbeiträgen und unzähligen Vergleichen genau zu diesem Thema, in welchen, völlig von Raumakustik und subjektiven Vorlieben befreit, stark verallgemeinernd irgendwas "empfohlen" wird.
Unschön an der Sache ist nur, dass sich die Dienstleistung, die da über das Internet zwang- und kostenlos vermittelt werden möchte, nur schwer vom Bärendienst unterscheiden lässt. Apropos Bär, den bekommt man schnell mal so nebenbei aufgebunden. Daher ist es sicherlich jedem schon mal passiert, dass er auf eine Empfehlung reingefallen ist. Manipulierte oder unbedachte Empfehlungen im Netz oder im Bekanntenkreis gab es schon vor Erfindung des Web 2.0, vertrauenswürdige Websites aber ebenso. Meiner Meinung nach werden sich genau an dieser Stelle die obligate "Mein Kommentar" - Funktion des Web 2.0 und der manipulierbare "User Generated Content" irgendwann einmal als zu beliebig erweisen. Hinterher landet man dann zwangsläufig wieder beim Web 1.0, wo sich bereits bekannte Personen mit "Trusted Content" als Web 3.0 produzieren und verkaufen können und selbstverständlich, wie im realen Leben auch, mit ihrem guten Namen dafür einstehen müssen. Der absehbare Übergang von 1.0 zu 3.0 ist aushaltbar, davon bin ich überzeugt.
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Nur die Art der einzugehenden Kompromisse unterscheidet die Anlagen voneinander.
Man kann davon ausgehen, dass heutige Technik in vielen Dingen und Belangen sowohl besseren Klang als auch mehr Komfort bietet, auch wenn sich hier nichts mehr optisch wahrnembar wie bei grober, jedoch manchmal überraschend langlebiger Mechanik, wie auch immer geartet, bewegt.
Dass eben dieser Umstand nicht allen gefällt, wie z.B. rückwärtsgewandten Gemütern, einer bestimmten Art von Marketing oder entsprechenden Händlern, sollte eigentlich klar sein. Bei diesen dem Zeit-Interview ähnelnden Wortmeldungen spielen immer auch der SnobEffekt und der Zeitgeist eine gewisse Rolle. Die Zeit hat das Thema meinen Beobachtungen zufolge ja schon länger in der Mangel. (Wobei ich den Artikel Mach's Dir selbst ausgesprochen amüsant und erstklassig präsentiert finde. Dies gerade deshalb, weil der Umgang mit dem "RaubMord-Kopierertum" an anderen Orten so verbissen und zum Nachteil aller Beteiligten auffällig zwanghaft, völlig humorlos und bis zum Kieferkrampf geführt wird.)
Der Mensch ist nun mal ein soziales Wesen und deshalb auf vielerlei Art über Gruppendynamik offen für alle Spielarten von Manipulationen. Das gilt selbstverständlich auch für verklärende Romantisierung. Manipulation setzt fast immer bei Gefühlen an und das Hobby ist eben ein Bereich, wo Gefühle und Vorlieben eine wichtige Rolle spielen. Ich habe bei diesem Thema des öfteren erlebt, dass jemand sagte, er sei offen, aber bereits im darauffolgenden Satz die vermeintliche "Offenheit" einschränkte.
Wenn man also als Neuling im HiFi irgendwo anfangen will, so sollte man natürlich und originalgetreu nicht allzu wörtlich nehmen, denn schon die Aufnahmetechnik zeichnet nur einen kleinen Teil des ursprünglich vorhandenen akustischen Ereignisses auf. Was dann danach als Tonträger unterwegs ist und mittels mehr oder weniger zulänglich arbeitender Wiedergabetechnik zu Gehör gebracht wird, kann allenfalls als "wohlklingende Anmutung mit zeitweise vorhandener Ähnlichkeit" durchgehen. Mehr aber auch nicht, und das gilt auch für aktuelles HiFi. Das engl. Wort Sound ist da vielfach sogar passender als das deutsche Wort Klang. Allerdings können diese "Anmutungen" auch eine Menge Spass machen, keine Frage.
Die Beschäftigung mit wertigen und langlebigen technischen HiFi-Produkten und "hoher Wiedergabequalität" hat sicherlich und berechtigtermassen ihren Reiz und sollte bei dem ganzen Unfug, der sich mit Statussymbolen so veranstalten lässt, keinesfalls unter den Tisch fallen. Dass aber vieles bei dieser Form der Beschäftigung mit Technik der des Umgang's mit Computer-Hardware nicht unähnlich ist und manchmal in schierem Selbstzweck sowie einer gewissen Eigenrotation endet, ist nicht selten. Wie man das gewichtet, ist eine Frage der Erfahrung, eben weil es auch um ein Hobby geht. Liebhaberei und Leidenschaft gehören jedenfalls auch zum "Steckenpferd", ebenso sind Verzerrungen in den Sichtweisen, so sie nicht masslos übertrieben werden, durchaus erlaubt und manchmal sogar erwünscht, weil unterhaltsam. Dies gerade deshalb, weil man uns Freunden eines wohlgeordneten Musikarchiv's eben auch mit dem Sammelbegriff und Synonym "MP3" jede Kultur abspricht. Dass aber der Computer nur Werkzeug, Mittler und natürlicher Nachkomme von Aufnahmegeräten wie der Wachswalze, dem Tonband, dem CD-Brenner und anderen HiFi-Geräten ist, wird dabei von vielen Schreibenden der Zunft und im Marketing nur allzu gern unterschlagen. Oftmals mit dem Motiv, vor allem dem eigenen Anliegen und der eigenen Klientel/Gruppenzugehörigkeit dienen zu wollen. Logisch aber auch, dass man sich deshalb nicht jeden Unsinn gefallen lassen muss.
Denn ob sich nun zwingend für hochwertige Musikwiedergabe grosse Spulen bei 38 cm/s oder ein Plattenteller drehen müssen, damit es zur Erfüllung kommt, darüber besteht ja nun wirklich zurecht große Uneinigkeit. Ähnlich den Geschmäckern "schleppt" eben jeder sein Gefühlsleben und seine Sozialisation mit sich herum, was nicht unbedingt ein Nachteil ist, wenn man sich in einer Gesellschaft mit irgendeiner Rolle präsentieren möchte. Wie weit man in diesem Zusammenhang die Individualisierung, den Snobeffekt und die Preisgabe des eigenen Selbst bis zur Lächerlichkeit treiben möchte, das bleibt ja jedem selbst überlassen.
Da bereits mit der Aufnahme und den Übertragungs- und Weiterverarbeitungsverfahren zahllose subjektive Veränderungen (Stichwort Tonmeister, Aufnahmeleiter, Produzent) vorgenommen werden und die Aufnahmeverfahren schon in ihrem ursprünglichen Vermögen, ein Schallereignis darstellen zu können, stark kompromissbehaftet und technisch begrenzt sind, kommen dabei höchst unterschiedliche "Kunstwerke" heraus, die eben nur einen ganz kleinen Teil eines Schallereignisses in das häusliche Ambiente "übertragen" können.
Alles, was "fehlt", muss sich dann eben der Hörer in seiner Phantasie hinzudenken. Beim "Zusammenphantasieren" eines Schallereignisses anhand einer Ton-Konserve kann eine gute Anlage sicherlich helfen. Die Definition, was gut oder gut genug ist, ist aber eine doch schon recht verzwickte Sache.
Hinzu kommen dann auch noch die Eigenheiten und Besonderheiten der Übertragungsmedien. Eine LP wird nun mal anders gemastert als eine CD, und sicherlich auch anders "gesoundet", genauso, wie eine Radiosendung eben "anders" für eine Übertragung aufbereitet wird. Das hat dann zwangsläufig zur Folge, dass sich Radio anders als eine LP oder CD anhört.
Ausserdem spiegeln sich oft nach einiger Zeit gewisse Nutzergewohnheiten stark in einer Art "akustischer Erwartungshaltung" wieder. Durch Gewöhnung (auch gewollte Konditionierung) können gewisse Eigenarten, wie etwa "Knistern, Rauschen, Prasseln und Rumpeln" bei der LP oder Störungen beim Radioempfang, "ausgeblendet" werden, sodass sie nicht auffallen. Irgendwo zwischen "Genervtsein" und "Wohlgefühl" beim Auftreten "analoger Artefakte" hat jeder seinen berechtigten persönlichen Bezugs- und Angriffspunkt für intelligenteres Marketing.
Wiedergabeseitig nimmt das ganze Spiel mit den Konserven und den angeblich so tollen Anlagen für's Abspielen teilweise bizarre Formen an, bis hin zum Voodoo und der HiFi-Esoterik. Man muss das alles aber nicht mitmachen. Individualität kann auch darin bestehen, dass man irgendwann angesichts der vielen Kompromisse auch einfach mit dem "Aufstocken" der Wiedergabekette aufhört, auch wenn man den finanziellen Rahmen noch längst nicht ausgeschöpft hat. Es kann durchaus sinnvoll sein, eher in eine große Musiksammlung zu investieren, als in weitere Komponenten der Stereo-Anlage.
Irgendwo in diesem Wanderzirkus beliebig kombinierbarer Attribute und unveränderbarer Eigenheiten spielen dann auch noch die eigenen Vorstellungen und Gewohnheiten eine Rolle. Vorstellungen der Art, wie etwas zu klingen habe, oder was gut klingt. Auch wenn diese Vorstellungen ganz simpel nur durch die akustische Sozialisation eines gewissen Zeitgeistes oder einfach durch das Lebensalter massgeblich geprägt sind. Es ist sicherlich auch vorstellbar, dass Sympathie und Antipathie für bestimmte Arten von Geräuschkulissen ebenfalls eine Rolle spielen und deshalb so mancher "Sound" schon aufgrund seines Bekanntheitsgrades personenübergreifend eine gewisse Symbolkraft und eine Art "akustisches Urvertrauen" vermitteln kann.
Meiner Ansicht nach lohnt es sich aber, ab einer gewissen Wiedergabequalität nicht mehr weitere finanzielle Mittel oder einen gewissen Zeitaufwand aufzubringen, weil die Grenzen der Technik und der Produktionsart erreicht werden. Darüber hinaus entsteht dann nur noch irgendwas künstliches, was dann eben irgendwie gefällig oder von einem anderen Blickwinkel aus auch beliebig in alle Richtungen ausbaubar ist. Da fast alles irgendwie schon seine Abnehmer findet, lassen sich zahlreiche Geschmacksrichtungen unter die Leute bringen. Eine davon ist dann eben High(Open)End.
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Einiges von dem, was Jörg Schütt im Interview zum Thema
Jörg Schütt schrieb:Ist guter Klang immer teuer?
sagt, ist sicher richtig, aber Allgemeingut. Die Zahlen sind einfach austauschbar. Wer sich bemüht, kann sich über den Bereich DIY, Second Hand, Bausätze und den Ebay-organisierten Direkt-Import von meist asiatischen Herstellern nahezu alles beschaffen und auch mit schmalem Geldbeutel eine Menge Spass haben. Selbst die Produkt-Plagiate (meist über Ost-Europa) sind gemessen an dem, womit ich mich in meiner Kindheit und Jugendzeit klanglich herumplagen musste von verblüffender "Qualität". Natürlich bedeutet das auch, dass dadurch der von früher bekannte Fachhandel in der Defensive ist, aber große Teile des früheren sog. Fachhandels verdienen es sicher auch nicht, zu überleben. Andererseits hat ein Händler mit guter und ehrlicher Beratung auch heute noch ganz sicher eine Chance in Nischen, und eben aus so einer Nische heraus spricht Herr Schütt. Er ist eben Teil eines auf Retroismen und Neo-Analog spezialisierten Marktes, die hochpreisig alten Wein in neue Schläuche umfüllen.
Die einzigen Konkurrenten eben dieses Marktes sind nur noch Flohmarkt-, Vintage- und andere Liebhaber, die notfalls auch zur Restauration fähig und meist auch willig sind. Das eben dieses Marktsegment manchmal mit einer etwas verzerrten Sicht auf HiFi als Ganzes spricht, ist mitunter sogar nachvollziehbar. Einer Korrektur bedarf es aber trotzdem ab und an mal, nämlich dann, wenn manche Inszenierungen einer kleinen Subkultur allzu stark übertrieben werden. So, wie das am Beispiel von Herrn Schütt bei seinen sog. Demonstrationen mittels eines iPod sicherlich der Fall ist. Auch seine Ausführungen und Wertungen zu Digitaltechnik muss man nicht unbedingt als wertvoll und zutreffend einordnen, vielmehr kann man davon ausgehen, dass er mit manchem Allgemeinplatz verklärender "analoger Herkunft" auch nur seine eigene Klientel ansprechen möchte. Es gehört halt bei manchen Personen/Gruppen zum guten Ton, ersteinmal über das allen Bekannte herzuziehen und es "schlechtzumachen", um dann das eigene Angebot passend zu platzieren. Entsprechend sollte man nachfolgende Aussage zum Besitz eines iPod gewichten.
Jörg Schütt schrieb:Ja. Aber den nutze ich nur für Präsentationen, um hörbar zu machen, dass derart komprimierte Dateien nicht gut klingen.
Allerdings kann es auch sein, dass er ein älteres iPod-Modell besitzt. Die entsprechenden Vertreter jener Generation klangen halt auch nicht wirklich gut. Dass er den "schlechten Klang" der Audiokompression anhängt zeigt aber nur, dass er sich nicht ausreichend mit der Materie auseinandergesetzt hat und über etwas spricht, wo man sonst eher die Bälle flach halten, bzw. einfach mal lieber nichts sagen sollte, anstatt Unsinn zu verbreiten. Da er aber wohl mit HiFi sein Geld verdient, hat dieser Unsinn vermutlich eher Methode. Seine Klientel erwartet wohl auch ganz sicher, dass er sich so zu eben diesen Dingen äussert. In eben diesen Zusammenhängen sollte man also vielleicht auch nachfolgende Äußerung einordnen.
Jörg Schütt schrieb:Man setzt sich hin, öffnet eine Flasche Rotwein und nimmt die Musik nicht bloß technisch wahr. Man sollte spüren, dass da wirklich jemand Musik macht. Mit MP3-Dateien ist das nicht möglich, es fehlen die Farben in der Musik. Man hat zwar die Ton- und Dynamiksprünge. Aber MP3-Dateien haben eine geringe Auflösung und zeigen nicht die Klangfarben der Instrumente. Es ist kaum mehr zu unterscheiden, ob eine Geige, eine Bratsche oder ein Cello spielt.
Auch der Hinweis auf die LP musste natürlich folgen.
Jörg Schütt schrieb:Sie kann das deutlich besser – vorausgesetzt, es ist eine gute Aufnahme. Und die Schallplatte macht das vermutlich am besten.
Man könnte das Interview natürlich noch weiter und weitaus ausführlicher kommentieren, doch eigentlich dürfte dies nicht notwendig sein, denn auch so weiss man "wen man vor sich hat".
Das Interview jedenfalls ist halt nur eine Ansammlung von Mythen und Retroismen, wie üblich abgeschmeckt mit neo-analogem Marketing. Es geht ab einer bestimmten Preisklasse vornehmlich um Lifestyle und Statussymbole. Entsprechend bedienen leutselige Protagonisten mit den immer gleichen Allgemeinplätzen und Floskeln die immer selben Leute. So man also die phantasievolle Prosa des sog. HighEnd diskutieren möchte, tut man dies am Besten, indem man die Dichtungen und Märchen des High(Open)End nicht allzu ernst nimmt. Manchmal kann es auch sinnvoll sein, sich auf das "Stammtischniveau" einiger völlig physikbefreiten Behauptungen hinunterzubegeben.
Das Interview kommt zwar gepflegt und in der Zeit daher, ist aber m.M.n. beliebig interpretierbar gehalten. Im Grunde ist es wahrscheinlich nur dem interviewten Fachhändler Jörg Schütt zu etwas nütze, weil absatzfördernd. An Informationsgehalt fehlt es der neoanalogen Floskelsammlung jedenfalls stark. Floskelsammlungen wie man sie schon von den Herren Frantzen, Böde und vielen Akteuren des Stealth- und Guerilla-Marketing in den gängigen Foren und auf diversen Webseiten hinlänglich kennt.
Dennoch, wohl bekomms. Es muss aber jeder wissen, ob er auf sowas steht oder nicht.
Ich glaube ausserdem nicht, dass der Interviewer etwas anderes hören wollte, als das, was Herr Schütt nun wirklich zum Besten gegeben hat, denn auch die Zeit bedient eine bestimmte Klientel. Der eher konservative Einschlag passt doch bestens zu einem Lifestyle in Sachen HiFi, welcher sich als rückwärts gewandt und ebenso konservativ beschreiben lässt. Mit höherem Lebensalter kommen passend auch das Geld und der Wunsch, seinen Wohlstand entsprechend einer ebenso konservativen Lebenseinstellung durch Statussymbole nach aussen darstellen oder inszenieren zu wollen. Angeblich sind besonders ältere Singles ab Mitte 30 für diese Art von Lifestyle empfänglich. Allerdings lasse ich das ohne entsprechende Quellen mal offen, obwohl es in meinem Bekanntenkreis einige passende Beispiel gäbe. ;)
Davon abgesehen, lohnt es sich eigentlich nicht wirklich, sich auch hier nochmal mit dem Quatsch rund um hohe Frequenzen auseinanderzusetzen. In fast allen HiFi-Foren findet man haufenweise Material dazu. Ich hatte ja hierzu bereits eine diskussionswürdige Materialsammlung von David Messinger spendiert.
Abwürgen möchte ich die Diskussion aber nicht.
Es stellt sich aber die Frage, ob man diesen Allgemeinplätzen und dem vielen Unsinn drumherum, welche man an so vielen Stellen im Netz schon zuhauf findet, hier auf AudioHQ auch noch eine Bühne bieten sollte. Auf die Views/PageImpressions jedenfalls kann ich gerne verzichten. Andere Seiten hingegen brauchen sie, weil sie Auflage generieren müssen und ohne solch redundant vorgetragenen Beliebigkeiten, wie etwa Interviews mit HiFi-Händlern in der Zeit, Reklame nicht an den Besucher einer Homepage adressieren können. Insofern sind wir hier sicher im Vorteil. :unsure:
Oder legt wirklich jemand gesteigerten Wert darauf, sich mit diesem sich wiederholenden Schaustellertum und immer gleichem Wanderzirkus zu beschäftigen? Mir klappen beim Lesen mancher Retroismen jedenfalls die Fussnägel hoch. Geht das nur mir so? Das glaube ich kaum!
Abschliessend möchte ich aber doch noch etwas Versöhnliches loswerden.
Im Grunde genommen stellt das private (Langzeit-)Archivieren doch längst eine neue Art der Kultur dar. Immerhin findet eine Art Remix zwischen Neuem und Altem statt, denn sobald man die Musik vom Tonträger losgelöst bzw. um ihrer selbst willen übertragen hat, enden viele der tradierten lächerlichen Diskussionen um die "beste Art der Wiedergabe" und man kann sich wieder dem Musikhören widmen. Gerade das war ja eigentlich der Ausgangspunkt. "Geräte hören" und "Geräte sehen" jedoch ein völlig anderer. Letztgenanntes gehört sicherlich zum Aspekt "passende Präsentation" künstlerischer Werke, ist aber als Selbstzweck für mich doch recht unbefriedigend.
Diese "Neue Kultur" der privaten Archivierung an sich ist von unschätzbarem Wert. Vielfach vergessen wir, wieviel Energie früher nötig war, um den musikalischen Reichtum von einer Generation an die nächste übergeben zu können und wie wenig von seinem ursprünglichen Charakter erhalten blieb. Die Reduktion auf ein Notenblatt ohne Vorhandensein der ursprünglichen Instrumente und deren zeitgenössischer Stimmung, ganz abgesehen von ehemals massgebenden Tempi, sei hier als Beispiel erwähnt.
Uns ist es wenigstens erlaubt, Zeitgenössisches in "Tonkonserven" einzufangen und zu vervielfältigen, damit möglichst viel davon überlebt. Eine Kopie in möglichst vielen Privatsammlungen ist in jedem Fall immer eine Sicherungskopie, ein Backup oder eine Versicherung für den Fall, dass anderen Ortes "etwas schiefgehen" kann. Viele Kulturen und viele Künstler, die es Wert gewesen wären, müssen und mussten auf diesen Luxus verzichten.
Gerade angesichts dieses Gedankenganges wirkt doch das völlig subjektive Herumgeeiere um die richtige "Stimmung einer Anlage" höchst albern, weil es sich eben nicht um ein Instrument handelt. Im Kontext des Luxus' wirkt genau dieses Gejammere (auch über den vermeintlichen Kulturverlust) so lächerlich, wie viele der neuzeitlichen "Klagen auf hohem Niveau". Bedauernswerterweise gilt "Wer keine Probleme hat, der macht sich eben welche".
Im Grunde genommen haben wir grosses Glück, dass die Vergänglichkeit digitaler Information durch die Leichtigkeit, mit der Kopien erstellt werden können, konterkarierbar ist.
Warum man aber allgemeinpolitisch motiviert auf das Privileg der Privatkopie verzichten soll, bleibt mir ein Rätsel. Normalerweise jedenfalls müsste jedes an der Sicherung von Kulturgütern interessierte Gemeinwesen doch auf dieses Angebot eines kostenlosen Backups (!) wesentlich wohlwollender reagieren, dafür in Kauf nehmend, dass der Maximierung von Verwertungsinteressen durch Rechteinhaber (Kunstwort) gewisse Grenzen zu setzen sind. Selbst der gemeine Filesharer wäre durchaus tragbar. Sicherlich, z.B. Dieter Bohlens Musik hat es m.E. nicht unbedingt verdient, in "Tonkonserven", welcher Art auch immer, Generationen zu überleben, aber als Zeugnis zeitgenössischer Werke der 80er muss sie als Maßstab für vorhandene Schöpfungshöhe zugänglich oder abrufbereit sein, damit weniger Populäres und sein Grad an künstlerischer Entfaltung mittels direkten Vergleichs dokumentiert werden kann.
Musik als erhaltenswertes Kulturgut hat meiner Ansicht nach, unabhängig von der Herkunft, immer schon ein Geburtsrecht auf Freiheit und Dokumentation verdient. So gesehen sollte m.M.n. jeder, der ein privates auf Langzeitarchivierung ausgerichtetes zeitgenössisches Dokument künstlerischer Werke als Backup anlegt und es weitergibt, einer Würdigung wert sein. Für mich jedenfalls war es seit Jahren ein Genuss, diese Idee durch meine Tätigkeit, u.a. auch hier auf AudioHQ, weiterzuverbreiten.
Gruss
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