Thema: Metadaten, Datenhaltung
Flexibles Tagging scheint auf den ersten Blick ein interessantes Feature zu sein, um Audiodateien entsprechend den individuellen Bedürfnissen dynamisch mit Metadaten versehen zu können, ohne die Standard-Tags hierfür missbrauchen oder mit Information überladen zu müssen. Aus Sicht des Anwenders/Verbrauchers könnte man es also auch als individuelles oder dynamisches Tagging in Abgrenzung zum starren, weil standardisierten bzw. quasi genormten Tagging bezeichnen.
Aus dem Beitrag sowie aus den referierten Texten kann man aber auch Aspekte herauslesen, in denen sich eine gewisse Unzufriedenheit artikuliert. Ein wesentlicher Punkt scheint mir dabei zu sein, dass flexibles Tagging – wie im Beitrag festgestellt – zwar eine individuelle, ganz auf die eigenen Interessen zugeschnittene Erfassung von Metadaten erlaubt, dies gleichzeitig aber auch zu einer Inkompatibilität derart getaggter Audiodateien außerhalb des eigenen Anwendungskreises führt, und zwar in zweierlei Hinsicht: technisch wie organisatorisch.
Zum einen ist flexibles Tagging derzeit ein Feature, dass nur in foobar2000 gescheit genutzt werden kann, zum anderen halte ich es mangels genaueren Wissens zumindest für vorstellbar, dass Flexibles Tagging auch vom jeweiligen Audio-Format ersteinmal unterstützt werden muss. Für OggVorbis ist es sicherlich kein Problem, für MP3 weiß ich es nicht.
Ein Handycap ist jedoch, dass sämtliche Hardware-Player kein flexibles Tagging unterstützen, ja in den meisten Fällen noch nicht einmal sämtliche Standard-ID3v2-Tags anzeigen können. Technisch erlebt man in solchen Fällen dann im besten Fall, dass die flexiblen Tags nicht angezeigt werden, und im schlimmsten Fall, dass das Abspielen verweigert wird. Will man also die flexibel getaggten Audiodateien auch außerhalb von foobar2000 abspielen, muss man sich auch weiterhin den Kopf darüber zerbrechen, wie man die Standard-Tags optimal nutzt.
Will man umgekehrt – natürlich nur innerhalb des rechtlich zulässigen Rahmens – von anderen Personen flexibel getaggte Audiodateien in die eigene Anwendung integrieren, dann dürfte deren Tagging aber wahrscheinlich einem ganz anderen Schema folgen, als man für sich selber definiert hat. Das führt in den Diskussionsforen dann letztendlich zu der kuriosen Erscheingung, dass im Bestreben nach Individualität gleichzeitig aber auch eine Standardisierung gesucht wird, und zwar nicht nur bzgl. der Informationsarten, die zu erfassen sind, sondern auch bis hin zu einer genormte Benennung der zusätzlichen Tags.
Während flexibles Tagging also vielleicht als technisches Feature eines Tages verbreiteter anzutreffen sein könnte, wird das damit einhergehende organisatorische Problem der über-individuellen, also kompatiblen bzw. standardisierten Anwendung wohl weiterhin unlösbar bleiben.
Dieser technisch/organisatorische Konflikt zwischen höchster Individualität und weitestgehender Kompatiblität ist für mich aber nur ein Punkt, warum ich als Winamp-Nutzer mit dem herkömmlichen Tagging eigentlich zufrieden bin (zumal mein iRiver iHP-120 auch sehr restriktiv in der Darstellung der Tags ist).
Die entscheidende Frage ist doch letztendlich nicht die nach der technischen Option, sondern wofür man denn flexibles Tagging eigentlich benötigt. Könnte man diesbezüglich vielleicht einen breiteren Konsens erzielen, hielte ich es für vorstellbar, dass sich die Entwickler der standardisierten Tagging-Formate vielleicht auch darauf einliesen.
Tagging dient für mich primär der Beschreibung des Inhalts einer Audiodatei, weshalb Interpret und Titel in der Regel ausreichend sind und von vielen Hardware-Playern meist auch mehr nicht angezeigt wird. Freunde klassischer Musik wie ich missbrauchen dabei das Artist-Tag meist für den Namen des Komponisten, zumal die maximale Länge des Artist-Tags auch noch begrenzt ist, so dass sich umfangreichere Ensembles als Interpreten dort sowieso nicht aufzählen lassen (dafür muss dann das Comment-Tag herhalten). Dank der durch das Tagging verfügbaren Beschreibung wissen wir also nicht nur, was wir gerade hören, sondern können auch die Audiodateien in unserer Media Library finden, ohne erst in jede Audiodatei hineinhören zu müssen. Und das ist es dann auch, worauf sich die meisten Programme beschränken, auf das Suchen & Finden von Audiodateien.
Die Verfechter des flexiblen Taggings scheinen aber mehr zu wollen: sie möchten ihre Schätze gerne umfassend verwalten, weshalb bei ihnen der Wunsch nach einer möglichst exakten Katalogisierung besteht. Die Liste dessen, was alles über Tagging erfasst werden soll, scheint manchmal endlos sein, ich erspare mir es, es hier zu wiederholen. Angesichts der geringen Dauer vieler Songs stellt sich mir aber manchmal die Frage, ob dadurch die Kompression nicht ad absurdum geführt wird: wir reduzieren die Musik, um dann den gewonnen Platz wieder mit „Informationsmüll“ aufzufüllen. Dieser Aspekt tritt in den Diskussionen immer dann besonders deutlich zutage, wenn über die Hinzufügung von Texten (Song, Inlet) und des Albumcovers gestritten wird.
Etwas zugespitzt könnte man es vielleicht auch so formulieren, die Verwaltung der Metadaten wird zur Haupt-, die Musik quasi als Attachement zur Nebensache.
Ich frage mich daher, ob all diese Metadaten wirklich in eine Audiodatei hineingetaggt gehören und ob man von den Audioformaten wie von den Audioplayern vielleicht nicht etwas zuviel verlangt. Denn eigentlich erfordert dies doch in letzter Konsequenz ein richtiges multimediales Datenbanksystem, über das man dann all die gewünschten Informationen auch frei von Widersprüchen und Redundanzen verwalten kann und das die entsprechenden Auswertungsroutinen und Berichtsfunktionen sowie eine Schnittstelle zum Befüllen der Tags hätte.
Mein Fazit: Flexibles Tagging als technisches Feature mag derzeit angesichts der Schwächen bei den Standard-Tags nützlich sein, ersetzt aber eigentlich nicht gescheite Standard-Tags, die dann auch von möglichst vielen Playern in der Anzeige unterstützt werden. Als Basis für eine katalogmäßige Erfassung und Verwaltung der eigenen Schätze erscheint mir flexibles Tagging aber weniger brauchbar, denn letztendlich erfordert dies doch eine richtige Datenbank.
Meine Lösung: Da bei mir zuerst (etwa seit 1986) das Interesse an der Verwaltung meiner Klassik-CDs bestand und erst seit relativ kurzem an der Verwaltung meiner Audiodateien auf dem PC, pflege ich fast sämtliche Informationen schon seit längerem in einer von mir selbst entwickelten Access-Datenbank. Da meine sämtlichen Audiodateien im Namen den EAN-Code der CD enthalten, kann die Datenbank zudem dynamisch prüfen, welche Aufnahmen bereits als MP3, OggVorbis oder FLAC vorliegen. Und sollte ich eines Tages mal in die Verlegenheit kommen, extrem viel Freizeit zu haben, könnte ich mir auch vorstellen, eine Schnittstelle zur automatischen Befüllung der Tags aus Access heraus zu schreiben. Bis dahin komme ich aber mit Copy&Paste, winamp und Mp3tag ganz gut über die Runden. Der Komponist [Nachname, Vorname (Lebenszeit)] steht unter Artist/Interpret (aber auch zusätzlich unter Composer), die Interpreten im Comment-Feld, Label und Katalognummer unter Album, der Name des Werks im Titel (wobei ich vorausschicken muss, dass ich die einzelnen Tracks, auf die sich ein Werk verteilt, noch als WAV vor dem Codieren zusammengefügt habe). Und mehr passt nebeneinander sowieso nicht auf einen 19-Zoll-Monitor.