Zu dem eingangs angesprochenen CD-Tod möchte ich etwas näher mit meiner Erfahrung beitragen.
Beim Rippen meiner Sammlung befasste ich mich kürzlich mit einem Schwung von vielleicht 50 CDs, von welchen etwa 10 in einem fürchterlichen Zustand waren. Das Alter dieser CDs liegt im Schnitt bei 20 Jahren. Hier ein visueller Auszug:
CD1 Alter ca 19 Jahre
CD2 Alter ca 21 Jahre
CD3 Alter ca 20 Jahre
Sicherlich werfen die Bilder spontan die Frage auf: Wie geht der denn mit seinen CDs um? Meine Antwort: Recht pfleglich, sie flogen nie im Auto rum und kamen nach (dem wenigen) Abspielen meist gleich in die Kassette zurück. Sie sind somit ohne Kratzer und lagerten auch in keinem Wasserspeicher wie der eine Titel suggerieren könnte.
Die Oberflächen der CDs weisen keine sichtbaren Beschädigungen auf, nur hat sich an vielen Stellen die Aluminiumschicht in der Zwischenlage einfach in Nichts aufgelöst.
Dieser Schwung an CDs befand sich wenigstens 5 Jahre in einem Schränkchen ohne abgespielt zu werden. Dort wurde zwar schon mal Staub gewischt, aber die CDs konnten diese lange Zeit im Dunkeln und ohne Luftzirkulation vor sich hinschlummern und hinmuffeln. Der Mangel an frischer Luft hat sicherlich dazu beigetragen, die Zerstörung zu beschleunigen. Nachdem ich diese erschreckende Feststellung machen musste, sah ich auch die restlichen CDs meiner Sammlung durch, die sich die meiste Zeit in offenen Klappständern befanden und immer wieder aufgelegt wurden. Auch dort fand ich einige Scheiben mit Fehlstellen in der Aluminiumschicht, aber die Beschädigungen waren weit geringer als bei den CDs in dem besagten Schränkchen. Eine der CDs die häufig abgespielt wurde ist folgende:
CD4 Alter ca 22 Jahre
Bei dieser CD fällt auf, dass sich die Fehlstellen weitgehend auf den inneren Ringbereich beschränken, wo die CD-Player in der Regel eine Haltemuffe zum Antrieb anpressen und wo Staubkörner die Lackschicht der CD durchdrungen haben könnten. Es ist aber auch ein etwa 3mm grosses Loch neben der Titelbezeichnung “Part I” klar zu erkennen wo die Muffe nicht mehr angreift und mit blossem Auge kann man auf keiner Seite der CD eine Beschädigung im Bereich dieses Loches feststellen. Erst wenn man mit einer Lupe rangeht stellt man auf der lackierten Seite (Etikettierungsseite) in der Mitte des Loches ein winzig kleines Pünktchen fest. Ich vermute, dass sich vielleicht beim Runterfallen der CD ein Staubkorn durch den Lack gedrückt und somit eine Verbindung zur “Aussenwelt” hergestellt hat. Der Beitrag Compact Disc - Aufbau und Grundlagen.. hier im Forum zeigt sehr anschaulich, dass sich die Aluminiumschicht auf der beschrifteten Seite der CD nur unter einer recht dünnen Schicht aus Schutzlack befindet, dieses also die empfindliche Seite ist.
Ich wollte der Sache etwas näher auf den Grund gehen und musste im Netz doch etwas länger suchen, um neben den vielen Beiträgen zu den üblichen Pflegeempfehlungen von CDs einiges Brauchbares auszusondern.
Von einem Ingenieur der Bayer AG stammt folgende Erklärung:
"Unter der bedruckten Oberseite einer CD kommt eine Schicht aus Klarlack, gefolgt von einer dünnen Schicht aus Aluminium. Unterhalb dieses feinen MetalIfilms liegt der durchsichtige Kunststoff Polycarbonat, der in Form kleiner Vertiefungen die Informationen speichert. Der Laserstrahl tastet diese ab und gibt sie wieder. Das Aluminium reflektiert dabei den Laserstrahl. An das Metall können Sauerstoff- und Wassermoleküle gelangen. Damit reagiert das Aluminiun über Jahre hinweg zur durchsichtigen Verbindung Aluminiumhydroxid. Zwar bleiben die Vertiefungen in der Polycarbonatschicht erhalten, doch der Laserstrahl wird nicht mehr reflektiert, der Datenträger mithin unlesbar."
Ich glaube, das durchsichtige Aluminiumhydroxid erklärt für mich die Problematik, wenigstens was die CDs 1, 2 und 4 anbelangt. Die Oxidation des Aluminiums konzentriert sich bei diesen CDs hauptsächlich an Stellen wo der Lack beschädigt wurde, wie am Innenring aufgrund der Haltemuffe, entlang des Aussenrands der CD, bis zu welchem das Aluminium geführt ist und somit offensichtlich ungeschützt mit der Aussenluft in Verbindung steht, sowie an Kanten im Bereich des Innenrings von CD1, welches wohl emfindliche Stellen sind. Kurzum, die Oxidation hat sich ergeben dort, wo das Aluminium mit Sauerstoff in Berührung kommen konnte. Es mag auch sein, dass Fingerabdrücke, die mit dem Lack eine chemische Reaktion eingingen dazu beigesteuert haben.
Allerdings verbleibt für mich ein Fragezeichen was CD3 anbelangt. Es sieht aus, als hätten sich irgendwelche Mikroorganismen meanderförmig vom Rand her in die CD eingefressen. Ich weiss nicht, ob man aus Folgendem eine Erklärung ableiten könnte:
"Der grösste Feind der Tonträger ist sicherlich der Staub, der in zwei Formen in Erscheinung tritt:
a. als äusserliche organische oder nicht organische Fremdkörperablagerung auf dem Objekt (z.b. fettige Fingerabdrücke, Schweiss, pflanzliche Fragmente, Gewebefasern, Pollen, Sporen, Mehl, Sand, Salz, Asche, Zement, Metalle, Kleber, usw.)
b. als Veränderungen des Originalmaterials, erzeugt durch chemische Reaktionen von innen oder durch äusserliche Erreger. Diese Ablagerungen sind Nährboden für die Vermehrung von Schimmelsporen, Pilz und Mikroorganismen, welche dann das Tonträgermaterial angreifen. Staubpartikel haben aber auch eine scheuernde Wirkung, mit der sie die Rillenwände von Schallplatten und die Oberfläche von Bändern zerstören können."
Was bei CD 1 und 2 auffällt ist, dass die Aluminiumschicht über die gesamte CD verteilt ist, was sicherlich aus heutiger Sicht als ein Produktionsfehler zu betrachten ist, da die Schnittkanten Einfallsbereiche für Sauerstoff sind. Siehe z.B. die CD3, bei welcher nur der Aussenrand in Mitleidenschaft gezogen wurde, aber nicht der Innenbereich, der vom Aluminium freigehalten wurde. Hier auch ein Bild einer 20 Jahre alten CD, die gleichfalls in dem Schränkchen lagerte, die aber einwandrei in Ordnung ist, da aluminiumfreie Pufferbereiche am Aussenrand sowie im gesamten Innenring eingehalten wurden.
CD5 Alter ca 20 Jahre
Manche Presswerke, bzw. Labels wussten offensichtlich seit den Anfangsjahren der CD von den Vorteilen dieser Pufferbereiche. So sind in meiner Sammlung alle CDs von z.B. CBS und EMI entsprechend hergestellt und einwandfrei in Ordnung. Dagegen weisen so gut wie alle CDs von ECM (damals bei Polygram hergestellt, dem ersten europäischen Presserk) und Messidor Probleme mit der Oxidation auf.
Schliesslich noch eine Information, die sicherlich von Bedeutung ist und die wohl einige Leser zunächst etwas aufatmen lassen dürfte: Ich lebe etwas weiter weg von Deutschland und dort wo meine CDs über die Jahre lagerten, herrscht eine etwas höhere Luftfeutigkeit, nämlich um 60% (mit einem einfachen Hygrometer gemessen), bei einer Temperatur zwischen ca. 15 und 25 Grad. Ich weiss jetzt nicht, welche durchschnittlichen Luftfeuchtigkeitswerte in Deutschland herrschen, aber in Anbetracht von Empfehlungen für eine ideale Lagerung von CDs bei
Luftfeuchtigkeit: 40-50% und
Temperatur: 10-20 Grad
dürften bei mir die Bedingungen an und für sich passabel sein, jedenfalls weit entfernt von klimatischen Zuständen wie in Mittelamerika, wo vor Jahren die ersten verrotteten CDs in einem Milieu von 90% Luftfeuchtigkeit auftauchten und zu Horrormeldungen in der Presse führten. Mag schon sein, dass in mitteleuropäischen Breitengraden aufgrund geringerer Feuchte die Oxidation von CDs wenigstens 10 Jahre später eintritt als bei mir.
Fazit zum bereits eingeleiteten Tod meiner CD-Sammlung: Was soll’s !
Ich kann das so lapidar sagen, da sich meine Sammlung inzwischen in Form von Flac-Files und sauber eingescannten Covers auf Festplatte befindet (mit entsprechendem Backup auf Zweitplatte), ich mich also wie so viele hier im Forum der PC-bezogenen Archivierung verschrieben habe und inzwischen recht gut damit zurechtkomme. Musik-CDs kommen bei mir nur noch als einige selbstgebrannte MP3-Compilations aus dem Fundus meines Archivs zum Einsatz und sobald diese Verschleisserscheinungen zeigen sollten, werden eben neue gebrannt. Die Original-CDs mitsamt den Klappständern sind bereits aus dem Sichtbereich verschwunden und lagern nun in einem Schrank. Eigentlich schade für Jedweden mit Sammlerallüren und auch in Anbetracht des bezahlten Wertes.
Betrüblich ist die Problematik aber eher für das Gros der Musikhörenden (wir von der Audiokompression sind ja nur eine kleine Randgruppe), welches weiterhin CDs ansammeln wird (solange es die noch gibt), um dann irgendwann nach Jahren anzufangen zu schimpfen. Man hat ja keinen Einfluss auf die technische Qualität der CD, man kauft sie aufgrund der Musik die einem gefällt und nicht, weil sie von der Pressanstalt XY hergestellt wurde, die für den Reflexionslayer Phthalocyanin-Dye oder eine Gold-Silber-Legierung verwendet und somit wenigstens 100 Jahre halten soll, wie aus Fachbeiträgen zu entnehmen ist.
Und eine ganz ernste Sache ist das Verrottungsproblem auf jeden Fall für Herrn Kolasa, welcher sich den Kopf darüber zerbrechen muss, wie er am Besten der behördlichen Auflage nachkommen kann, den Bestand von 373.000+ CDs des Deutschen Musikarchivs möglichst lange für die Nachwelt am Leben zu erhalten.
Uns verbleibt nur, beim Kauf von Rohlingen auf Qualität zu achten. Ich fand folgende Empfehlung:
-- Moderation: Empfehlungen entfernt. AudioHQ ist keine Kaufberatung..
Noch kurz: Erfreulich für mich war, dass EAC auch die oxidierten Scheiben aus dem Schränkchen im Secure-Mode schaffte. Nur traten bei der oben gezeigten CD3 in den letzten Tracks CRC-Fehler auf, was in Anbetracht des fürcherlich zerschundenen Randes zu erwarten war.
Hier noch einige Links für weitere Informationen:
Care and Handling of CDs and DVDs: A Guide for Librarians and Archivists
Ein Beitrag der Unesco
Eine recht interessante Diplomarbeit:
Informationsverlust durch die Digitalisierung (PDF)
Fungal bioturbation paths in a compact disk
Gruss